Wer Innovation mit hundertprozentiger Sicherheit will, bekommt am Ende gar nichts

Wer Innovation mit hundertprozentiger Sicherheit will, bekommt am Ende gar nichts

Europa – und leider auch die Schweiz – sind Sorgenweltmeister. Während die USA und die Schwellenländer mutig voranschreiten, blockiert sich Europa selbst mit übertriebener Vorsicht. Der Wettlauf um die Technologie-Zukunft? Europa ist gerade dabei, ihn zu verlieren.

Monday, February 3, 2025

Die Gründe für die Blockade auf dem alten Kontinent sind vielseitig, doch lassen sie sich auf einen Nenner bringen: fehlende Risikobereitschaft. Während die USA ohne zu zögern neue Technologien entwickeln, testen und zur Marktreife bringen, sitzt Europa – und mit ihm die Schweiz – auf der Bremse. Es wird endlos debattiert, ob Innovationen nicht doch zu riskant sind und ob es nicht noch mehr Regulierung braucht. Das Ergebnis? Während die USA Innovationen in Wirtschaftskraft umwandeln, verliert Europa immer weiter den Anschluss.

Das Vorsorgeprinzip: Vom Schutzschild zur Innovationsbremse

Exemplarisch für diesen Stillstand steht in der Schweiz das Vorsorgeprinzip. Ursprünglich gedacht, um Risiken zu minimieren, ist es heute zum Dogma verkommen. Neue Technologien werden erst dann zugelassen, wenn alle potenziellen Gefahren mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden können – ein Ding der Unmöglichkeit. Im Klartext: Bevor Innovationen überhaupt ausprobiert werden dürfen, müssen sie auf Herz und Nieren geprüft werden. Das Ergebnis? Stillstand.

Besonders fatal wirkt sich diese Haltung in Zukunftstechnologien wie Genomeditierung und Künstliche Intelligenz (AI) aus. Während andere Länder wie die USA unerschrocken neue Wege gehen, Technologien zulassen, beobachten und wo nötig später regulieren, verheddert sich die Schweiz in einer vorsorglichen Regulierungsdebatte, die den Fortschritt lähmt. Wer Innovation mit hundertprozentiger Sicherheit will, bekommt am Ende: gar nichts.

Von der Innovationsnation zum Museum?

Mit dieser übervorsichtigen Haltung steuert die Schweiz auf eine Sackgasse zu. Während anderswo wissenschaftliche Durchbrüche in die Praxis umgesetzt werden, bleibt Europa im Bürokratiesumpf stecken. Das zeigt auch Urs Hölzle, einer der ersten Google-Mitarbeiter, im NZZ-Interview auf den Punkt:

"In Europa verbringt man 99 Prozent der Zeit damit, sich über Gefahren und Regulierungen neuer Technologien zu unterhalten und nur 1 Prozent über die Chancen."

Sein Fazit: Europa glaubt fälschlicherweise, dass Nichtstun risikofrei sei – ein Trugschluss. Das beste Beispiel? Die europäische Autoindustrie, die Innovationen verschleppt hat und dann von Tesla & Co. überrollt wurde.

Die Schweiz hat das Potenzial – aber nutzt es nicht

Noch gibt es sie: Spitzenforschung an Schweizer Hochschulen, innovative Unternehmen, weltweit führende Ideen. Doch viel zu oft trifft dieser Forschergeist auf Politik und Verwaltung, die lieber auf Nummer sicher gehen, statt Innovationen zu fördern. Seit jeher leidet man hierzulande darunter, dass das Risikokapital für Start-ups nicht im gleichen Masse vorhanden ist, wie beispielsweise in den USA. Das mag kulturelle Gründe haben, es ist aber auch Ausdruck davon, dass man von finanzieller Seite die regulatorischen Risiken sieht und scheut. Doch: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

Die politische Schweiz täte gut daran, sich hier mehr an den USA zu orientieren, als an der zaudernden EU. So würde die Spitzenforschung auch vermehrt auf das notwendige Kapital treffen und so ermöglichen, dass aus Spitzenforschung auch innovative Produkte - made in Switzerland - werden.

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